Ice cube

2021. Ja, das glaubst Du nicht. Wir bauen auf dem Aldi!“ – „Das machen die jetzt überall im Umland. In der Stadt kann sich doch keiner mehr was leisten. Und in den Gewerbegebieten ist auf den Dächern jede Menge Platz. Es kommen auch einige kleine Unternehmen hierher. Unsere Architektin hat gemeint, wir könnten auf dem Areal neben einer Werkstatt noch mit unserem Büro unterkommen. Wir müssten gar nicht mehr in die Stadt pendeln, Arbeit und Wohnen liegen dann nah beieinander. Und ein Club mit Restaurant soll hier auch herkommen. Du, das wird noch richtig schick hier.“

Unter dem hohen Druck von Zuzug und Immobilienmarkt suchen auch die Gemeinden im Landkreis nach neuen Lösungen, verfügbaren Raum zu schaffen. Die zahlreichen Gewerbegebiete im Münchner Umland bieten dafür viel Potenzial. Neu gedacht und sinnvoll erweitert, lassen sich zigtausende Quadratmeter Dachflächen sinnvoll als Wohn- und kleine Gewerberäume überbauen. Diese unkonventionell und günstig erstellten Konglomerate entwickeln sich zu lebendigen, innovativen Zentren, die schnell attraktiv werden. Die autobahnnahen Standorte der Gewerbe- und Logistikzentren rings um München ermöglichen die Erneuerung hin zum umweltverträglichen Verkehr. Da der Individualverkehr reduziert werden muss, um die Folgen der Klimaschäden zu begrenzen, werden Autobahnspuren in Zugtrassen für den „Zirkel“, einen S-Bahn-Ring um München, umgebaut. Damit sind die neuen Gewerbe-Wohn-Zentren im öffentlichen Nahverkehr angebunden. Die neuen Mischgebiete haben den Effekt zu einer polyzentralen Entwicklung im Landkreis. Zum einen die „historischen“ Ortskerne und andererseits die neuen vitalen Areale, in denen Wohnen und Arbeiten wieder zusammengeführt sind.

Dabei ist die Aussicht auf einen neuen Arbeitsplatz im vielfältigen Gewerbe-Wohngebiet nebenan auch für Einwohner in den Kerngemeinden attraktiv. Auch der weitere Flächenverbrauch und die Zersiedelung des Münchner Umlands lässt sich reduzieren und ermöglicht die Renaturierung frei werdender Flächen. Für die Menschen im Umland (und aus der Stadt) entstehen Naherholungsräume und Naturschutzgebiete. Alles gut also zukünftig? Könnte man meinen.

2022. Nicht mehr länger warten. Um dem chronischen Verkehrskollaps in die Stauhauptstadt München abzuhelfen und die nach wie vor zu hohen Emissionen zu reduzieren, werden zusammen mit der Stadt zentrale Radschnellwege ins Zentrum erschlossen. Diese überdachten Bikeways aus biegsamem Glas erlauben einer wachsenden Zahl von Pendlern, mit E-Bikes schnell und trocken ins Zentrum zu fahren. Die mit Solarzellen beschichteten Glaselemente speisen Strom ins Netz ein und sind mit Kommunikationstechnik ausgerüstet, nachts läuft während der Fahrt die LED-Beleuchtung mit. In der Folge werden viele neue Hybrid-Fahrzeugen entwickelt.

2027. Wohnraum ist unbezahlbar, täglich bricht der Verkehr zusammen und dazu: hoher Energieverbrauch, eine Orientierung an kurzfristigen Renditen, belastete Böden in der Landwirtschaft und ein katastrophales Bienensterben – jetzt wird überdeutlich, dass ein „weiter wie bisher“ nicht mehr funktioniert. Auch die jahrzehntelang gelebte Plastik-Kultur schlägt mittlerweile durch. Seit dem Jahr 2000 wurde in menschlichen Blutbahnen Kunststoff nachgewiesen. Die Folgen: Veränderung des Hormonhaushalts bei Kindern und Jugendlichen, Unfruchtbarkeit und neue Krankheiten. Der Landkreis München steigt aus dem bundesweiten dualen System aus, das Ziel ist die konsequente Müllvermeidung.

2042. Das aufgeheizte Erdklima lässt große Teile des Grönlandeises abschmelzen und ins Meer strömen. Dabei gerät auch der für das milde Wetter in Mitteleuropa nötige Golfstrom ins Stocken, es kommt vermehrt zu extremen Wetterlagen. Im Münchner Landkreis reagiert man auf die ungewöhnlichen Kälteperioden mit dem massiven Ausbau der Geothermie und mit kompakten, verbrauchsarmen Bebauungen. So setzen sich geschlossene Hofareale mit variablen Glas- und Luftkissen-Überdachungen durch, mit denen sich ein wärmeres Gewächshausklima erzeugen lässt. Die geschützten Innenhöfe erlauben den ergänzenden Anbau von Lebensmitteln vor Ort. Kompakte Areale erleichtern auch die Versorgung und Einbeziehung des demografisch bedingten hohen Anteils älterer Menschen. Perspektive 2067: Die Prognosen sagen für die nächsten 25 Jahre sehr kalte Bedingungen voraus. Oder sehr warme.

Von Michael Lapper